Von Fotos aus Nepal und Tibet wehen geheimnisvolle farbenfrohe kleine Fähnchen im Wind. In allen buddhistischen Regionen des Himalayas und inzwischen auch auf allen Kontinenten angekommen, tragen die Gebetsfahnen ihre wohlwollenden Mantras in die Welt hinaus. Jedes Fähnchen ist mit einem Sutratext (Mantra) bedruckt… sie sollen zum Frieden, Glück und der Weisheit eines jeden Lebewesens beitragen.
Die Fähnchen sind ausgefranst und lösen sich mit der Zeit mehr und mehr auf. Die Vergänglichkeit der Gebetsfahnen ist gewollt: Im Buddhismus sagt man, dass die Gebete auf den Fahnen durch das Wehen im Wind aktiviert werden. Je nach Wetter vergehen die Fahnen mitsamt den Gebeten im Wind und tragen die Gebete zum Himmel.

Was bedeuten diese bunten Fähnchen nun genau?

Um dies zu erklären bediene ich mich der Erklärungen aus dem Buddhismus.
Der Buddhismus unterscheidet zwischen kurzzeitigem und dauerhaftem Glück.
Es wird gelehrt, dass dauerhaftes Glück nicht durch äußere, materielle Dinge zu erreichen sei. Denn die materiellen Dinge und Sinnesfreuden, können uns nur kurzzeitig befriedigen bzw. glücklich machen. Dieses vergängliche Glück empfinden wir so lange, bis wir die Freude an jenem Gegenstand verlieren bzw. bis wir jenen Gegenstand verlieren oder bis die Furcht/Sorge es in der Zukunft verlieren zu können, die Besitzfreuden übersteigt.
Diese Art von Glück sei „so flüchtig wie ein Tautropfen“. Versuchen wir dieses vergängliche Glück anzuhäufen, seien unsere Sinne so von der kurzzeitigen Befriedigung geblendet, dass wir das „wahre dauerhafte Glück“ nicht mehr erkennen. Das dauerhaftes Glück ist ein Resultat des Inneren Friedens. Es könne nur von innen heraus durch eine heilsame Motivation entwickelt werden. Es gilt die eigene innere Einstellung und Denkweise zu verändern, und diese mit Mitgefühl, Geduld sowie positives Denken zu kombinieren. Erst wenn der Geist geschult sei, könne dauerhaftes Glück erlangt werden.

„Wir können Glück empfinden, wenn wir an einem heißen Tag in einem kühlen Berges baden; wir haben Glück, wenn wir etwas das große Los ziehen; doch auch in Bezug auf ein gutes Familienleben sprechen wir von Glück.“
Der XIV. Dalai Lama

Die Frage ist also, wie wir kurzzeitiges Glück in Dauerhaftes wandeln können. Dafür müssen wir uns verdeutlichen, welche Emotionen uns dazu drängen, Dingen nachzujagen und uns damit von den wirklich wichtigen Themen des dauerhaften Glücks ablenken.
Unsere Emotionen sind den Fünf Elementen zugeordnet… und zu jedem Element gehört eine Farbe.

Welche Bedeutung steht hinter den Farben der Gebetsfahnen?

Die fünf Farben der Gebetsfahnen stehen für die fünf Elemente: Blau für die Leere (den Raum & Himmel), Grün für das Wasser, Rot für das Feuer, Weiß für den Äther (den Wolken & den Wind)und Gelb für die Erde. 
Jedes Element ist einer bestimmten Emotion zugeordnet, die als hinderlich angesehen wird und uns im kurzzeitigen Glück festhält.

  1. Weiß: Unwissenheit, Ignoranz
  2. Blau: Wut, Zorn
  3. Gelb: Stolz, Egoismus
  4. Rot: Begierde
  5. Grün: Geiz, Habgier, Neid

Bernhard Düchting, Reiseleiter, erklärt dies wie folgt:
„Wir alle haben mit diesen Emotionen zu tun. Sie schütteln uns und verursachen unangenehme Erfahrungen, die uns leiden lassen. Die gute Nachricht ist, dass wir allerdings auch aus ihnen lernen können. In schwierigen Emotionen liegen auch Möglichkeiten. In den leidbringenden Emotionen ist unsere größte Energie gebunden, quasi als Rohmaterial. Wenn wir diese Schwierigkeitsbringer nutzen und mit einer Sichtweise kombinieren, die schwierige Emotionen als Potential versteht, so können wir erkennen, dass in den negativen Kräften, quasi als zwei Seiten einer Medaille, Weisheiten eingeschlossen sind. Diese Weisheiten können erfahren werden.
Beispiel: Die Farbe Blau steht für die Umwandlung von Zorn in spiegelgleiche Weisheit. Eine Weisheit die äußere und innere Dinge wahrnimmt, abspiegelt, ohne dass das „Innere“ geschüttelt wird, man ruht in den Dingen…“
Weiß wandelt die Ignoranz in Gleichheit, Rot – die Begierde in Selbstkontrolle, Grün – den Neid in gutes Handeln, das Geld – den Stolz in das Leben im Moment.

„In der Erkenntnis und Verinnerlichung der Weisheiten lindern sich die leidbringenden Auswirkungen der schwierigen Emotionen.

Die Idee der Gebetsfahnen ist es also, uns daran zu erinnern, dass alle schwierigen Emotionen, also alles, was uns letztendlich schadet, auflösbar sind. Es liegt an uns, das im Inneren vorhandene Potential  der verschiedenen Weisheiten zu erkennen und zu realisieren.

Motive der Gebetsfahnen

In der Mitte jeder Fahne ist meist das Windpferd, Lungta, abgebildet. Auf seinem Rücken trägt es drei Juwelen. Sie stehen für BuddhaDharma (Buddhas Lehre) und Sangha (die Gemeinschaft der Buddhisten). Diese drei Juwelen verkörpern, wenn man die tiefer liegende Bedeutung versteht, alles Sinnhafte.
Das Windpferd ist ein Symbol für den Übergang vom Unglück ins Glück. Das Windpferd ist umgeben von unzähligen Mantras und Gebeten für ein langes glückliches Leben… im Sinne unserer persönlichen Entwicklung und positiven Veränderung. Gebetsfahnen wehen im Wind und der Wind trägt die guten Wünsche zu allen Wesen.

Wann hänge ich Gebetsfahnen auf? Was mache ich mit ihnen, wenn sie sich auflösen?

Gebetsfahnen werden in Tibet bei allen wichtigen Anlässen, wie Hochzeiten, Geburtstagen, aber auch zu Beerdigungen aufgehangen. Zu Neujahr werden die alten Gebetsfahnen ersetzt.
Zum Aufhängen ist die Phase des Tagesanbruchs und des zunehmenden Mondes an besten geeignet.

Die Gebetsfahnen haben einen hohen Stellenwert im buddhistischen Glauben und sollten stets mit Respekt behandelt werden. Jedem Ereignis im Lebenszyklus der Gebetsfahnen wird eine Bedeutung zugeschrieben. Kaum ein anderes Symbol legt so viel Wert auf die Art und Weise, wie es aufgehangen und wie es entsorgt wird. Die Gebetsfahnen lösen sich draußen mit der Zeit langsam auf – dies geschieht in der Form das die Fäden der lose gewebten Gebetsfahne vom Wind fortgetragen werden und die Reste des Stoffes verrotten. Alte Gebetsfahnen verlieren im Laufe der Zeit an Farbe. Sie haben dann ihre Gebete an den Himmel abgegeben.
Diese Prozesse stellen den natürlichen Verlauf des Lebens dar. Jeder altert und wird sein jetziges Dasein mit dem Tod verlassen.
Wenn du deine Tibetische Gebetsfahne entsorgen möchtest, bevor sie ganz verrottet ist, kannst du das mit einem besonderen Ritual tun. Die Gebetsfahne sollte nicht einfach im Müll beseitigt, sondern mit Respekt verbrannt werden. Siehe das Verbrennen als ein letztes Gebet an das Universum. Wenn du eine neue tibetische Gebetsfahne kaufst, symbolisiert das die Wiedergeburt jedes Wesens.

Wo hänge ich Gebetsfahnen auf?

Die Gebetsfahnen möchten uns unterstützen, unsere schwierigen Emotionen loszulassen… sie möchten Frieden, Glück und Weisheit in die Welt tragen… dazu sollten sie an einem Ort hängen, an dem der Wind sich in ihnen verfangen kann. Ein Ort, von dem der Wind die einzelnen Fäden der Gebetsfahnen Stück für Stück hinweg trägt. So kann sich die Wirkung entfalten und dauerhaftes Glück unterstützen.


Hast du Lust bekommen, ein bisschen an deinen hinderlichen Emotionen zu arbeiten?
Möchtest du deine Wünsche für ein dauerhaftes Glück dem Himmel übergeben?
Findest du es auch so wunderbar, alle Lebewesen wieder und wieder zu segnen?
Ich freue mich auf deine Erfahrungen und Fotos DEINER Gebetsfahne ✨🧡✨.

Herzlichst, Annett


Für mehr Inspiration und Anregungen findest du mich hier auf meinem Blog „Im Fluss der Zeiten“, in meinem Ladengeschäft in Dresden, im Onlineshop FENGSIGNs und natürlich auf Facebook und Instagram.

Fotos: Annett Hering, Unsplash… Martin Oslic, Christopher Carson, Alain Pham

Quellen:
Dalai Lama – Inneren Frieden finden
Tim Weber, Karmandala
Bernhard Düchting, Wikinger-Reisen